Achtsamkeit gegenüber deinen Emotionen  – The way back to yourself lead by horses III

Teil 3: Dein Pferd – Dein Spiegel

Dein Pferd ist ein Spiegel deiner Seele. Manchmal wird dir nicht gefallen, was du siehst, manchmal aber doch“. – Buck Brannaman, US-amerikanischer Pferdetrainer

Bist du bereit in den Spiegel zu blicken? Es ist immer wieder unglaublich, was unsere Pferde uns täglich an Botschaften mitgeben. Über den Augenblick, über sich selbst, über uns. Wie bei der Putzübung in Teil 1 und der Bodenarbeitsübung in Teil II dieser Reihe zur Achtsamkeit kann dir dein Pferd auch bei der dritten Säule der Achtsamkeit wieder mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die Achtsamkeit gegenüber deinen Emotionen

Die 4 Säulen der Achtsamkeit – Säule 3: Deine Gefühle

Bei der Achtsamkeit gegenüber deinen Emotionen geht es darum das du sie bewusst wahrnimmst in dem Moment, in dem sie entstehen. Wie bei den beiden vorherigen Säulen geht es auch bei deinen Gefühlen darum, sie ohne Wertung anzunehmen. Hier wird es schon etwas schwieriger, die Wertung außen vor zu lassen. Oftmals werten wir z.B. Wut als negative Emotion. Wut an sich kann aber durchaus auch positives bewirken, nämlich dann, wenn sie in Mut und den Willen zur Veränderung umgewandelt wird. Daher an dieser Stelle die große Bitte: was auch immer du für Gefühle beobachtest, bitte versuche sie nicht zu bewerten – lass sie neutral erscheinen. Wenn ein Gedanke in dir aufkommt, der z.B. die Wut bewerten möchte, fang ihn anerkennend ein wie du es in Teil II gemacht hast und lass ihn wie eine Wolke ziehen.

Der Meister über die Emotionen – eine Game Chang Option

Wenn du lernst, emotional achtsam zu sein, kannst du deine emotionalen Reaktionen viel besser nachvollziehen und lernen, sie in ganzheitlicher Weise anzunehmen. Wir bringen mit dieser Säule unseren Körper, unsere Gedanken und unsere Emotionen zusammen und lernen so den Zusammenhang zwischen ihnen kennen und leiten daraus dann Verhaltensweisen ab, die wir uns über Jahre hinweg angeeignet haben. Es gibt Verhaltensweisen, die wirst du lieben und sie dienen immer dazu, dass du positives erreichst. Du wirst aber auch Verhaltensweisen aufdecken, die weniger hilfreich sind und dich und deinen Körper sehr viel Energie kosten und dich belasten. Z.B. immer dann, wenn du in Stress gerätst und dein Körper Adrenalin ausschüttet. Schüttet unser Körper in unserem Leben zu viel Stresshormone aus, nehmen wir gesundheitlich Schaden. Das Erkennen von solchen Situationen, in die wir uns oftmals selbst „hineinreden“ mit unseren Gedanken, ist eins der wertvollen Ergebnisse aus dieser Methode.

Ron: “So viel kann kein einzelner Mensch fühlen, ohne zu explodieren.“ Hermine: “Dein Gefühlsreichtum passt ja auch auf einen Teelöffel.“ – „Harry Potter und der Halbblutprinz“ (Film 2009)

Ähnlich wie Hermine Granger im Harry Potter Film die Gefühlssituation analysiert, wird es auch dir zukünftig gelingen diese Zusammenhänge herzustellen – ganz ohne Zauberstab.

Captivating ocean waves under a moody sky at sunset in Bali, Indonesia.
Gefühle kommen wie Wellen angerauscht
Übung 1: Eine Welle voll Gefühl, bitte

Auch diese Säule beginnt wieder mit dem bewussten Beobachten. Ich hatte mir meinen Stuhl, wie bei den Übungen für die beiden anderen Säulen auch, wieder an den Paddock meiner Pferde gestellt. Auch hier habe ich wieder das Bild verinnerlicht, dass ich bei meinen Pferden stehe und mich von dort aus beobachte, um so den notwenigen Abstand zu erhalten.

Du startest wieder mit der Atemübung aus Teil I. Wenn du merkst, dass du entspannt bist und deine Gedanken gut bei dir und deiner Atmung bleiben, lenke langsam deine Aufmerksamkeit auf deine Gefühlswelt:

  • wie fühle ich mich?
  • Was fühle ich?
  • Wie stark ist das Gefühl?
  • Wie nah ist das Gefühl?
  • Etc.

Das Erste, was du bewusst fühlst, versuchst du wie eine große Welle im Meer ganz weit hinten am Horizont auf dich zukommen zu lassen. Lass die Welle langsam näherkommen und nimm das Gefühl deutlich und bewusst wahr. Die Wahrnehmung bleibt Wertfrei, egal was für ein Gefühl angerollt kommt. Wenn du es wahrgenommen hast und es dir völlig bewusst gemacht hast, was es ist, lass die Welle ganz seicht am Strand auslaufen. Hinten am Horizont siehst du ggf. bereits, dass sich die nächste Welle aufbaut. Auch diese lässt du wieder langsam näherkommen, so dass du sie bewusst wahrnehmen kannst. Wenn auch sie verebbt ist, folgt die nächste.

Je regelmäßiger du die Übung machst, desto leichter wird es dir fallen eine Welle nach der anderen wahrzunehmen. Für diese Übung solltest du 8 bis 10 Minuten einplanen und wenn es dir hilft, lass Wellenrauschen im Hintergrund laufen. Kleiner Tipp, wenn du wie ich am Paddock sitzt: dein Pferd wird das Wellengeräusch mögen.

Übung 2: Vorhang auf und Bühne frei 
A woman enjoys creative shadow puppetry indoors with a theatrical setup.

In der zweiten Übung geht es darum herauszufinden, wie genau das Gefühl entstanden ist, wo es seinen Ursprung hat und was genau es dir eigentlich mitteilen möchte. Gefühle kommen, wie Wellen und wenn die Welle auf dem Höhepunkt ist, also gerade riesengroß ist, fällt es uns oft schwer die „Stopp-Taste“ zu drücken. Ist die Welle aber am Abebben, sind wir wieder besser in der Lage uns zu fokussieren. Das großartige an unseren Emotionen ist, dass jede einzelne von ihnen eine Lektion ist, aus der wir sehr viel mitnehmen können.

Um hinter die Kulissen unser Gefühlswelt zu schauen, bedarf es wirklich viel Abstand zwischen uns und unseren Gefühlen. Mir ein Theater vorzustellen, um nach einer Gefühlswelle mal genau hinzuschauen, was denn da eigentlich so vor sich geht, war für mich ein guter Raum. Wenn ich also am Vormittag eine emotional starke Situation erlebt habe, habe ich diese am Nachmittag während meiner Achtsamkeitsübung wertfrei angeschaut. Dazu habe ich die Gefühle auf die Bühne gebeten, wie zu einer Art Theaterstück. Damit das Theaterstück zum Leben erweckt werden kann, habe ich der Emotion, die gerade vorne auf der Bühne stand, verschiedene Fragen gestellt. Ziel dieser Fragen soll es sein Ursprung und Botschaft herauszufinden.

Die folgenden Fragen geben dir vielleicht ein gutes Gespür dafür, wie deine Fragen an deine Emotions-Situation aussehen könnten:

  • Wo kommst du her?
  • Warum bist du hier?
  • Wie lange bist du schon hier?
  • Wann kommst du / aus welchen Anlässen kommst du?
  • Welche Farbe hast du?
  • Wie groß bist du?
  • Hast du Verwandte oder Freunde?
  • Bist du immer allein oder begleitet dich wer?
  • Was möchtest du mir mitteilen?
  • Was kann ich von dir lernen?
  • Was fehlt dir?
  • Was brauchst du gerade?
  • Was kann ich für dich tun?  

Für diese Übung ist es ratsam einen Zettel und einen Stift parat zu haben. Es kann ggf. recht umfangreich werden. Bei mir kamen zum Beispiel immer Ärger, Wut und Trauer als „Freunde“ gemeinsam auf die Bühne. Das interessante waren dann die Anlässe, zu denen sie aufgetreten sind. Ich spoilere mal: aus der 10.000 Meter Perspektive, die ich erst einnehmen konnte, nachdem die Welle abgeflacht war, waren die Anlässe immer gleich.

Gemeinsam mit der Achtsamkeit gegenüber meinen Gedanken war es ein riesiges Gebilde, das ich aufmalen konnte. Dies hat mir immens geholfen mich aus diesem Teufelskreis von erst ärgere ich mich, bis ich schwarz bin, dann raste ich in einem Wutausbruch aus, bis ich völlig erschöpft in die Traurigkeit wandere – und mein Tag war dann ganz oft verschenkt, weil gar keine Energie mehr da war, um mich auch nur ansatzweise noch über irgendwas freuen zu können.

Bleib auch bei dieser Übung mit kindlicher Entdeckerfreue dabei. Es wird dir helfen Abstand zu bekommen. Wenn du dann auf dein Gebilde schaust, ist es ganz einfach den Knoten platzen zu lassen.

Hintergrundwissen zur Vorbereitung für die Übung mit deinem Pferd

Es gibt Emotionen, die haben wir so gut verschachtelt und leben sie schon so lange, dass es schwer fällt sie überhaupt noch wahrzunehmen. Sie gehören einfach zu uns, wie unsere Ohren.

Dein Pferd ist der beste Spiegel, den du dir wünschen kannst. Dein Pferd zeigt dir ohne Rücksicht auf Verlust und ganz ungeschminkt, was du fühlst. Wenn du die leichten Knoten gelöst hast, kann dein Pferd dir behilflich sein die versteckten Emotionen zu finden.

ACHTUNG:

Hierzu ist es wichtig, dass dein Pferd emotional, mental und körperlich im Gleichgewicht ist. Pferde sind wie wir Lebewesen und haben auch ihre eigenen Ängste, Sorgen, Nöte und Themen, an denen sie selbst wachsen möchten. Wenn du dir unsicher bist, ob dein Pferd ausbalanciert ist, kannst du mich gerne kontaktiere und wir schauen gemeinsam, wie es deinem Pferd geht und ob es dich ohne Verzerrungen spiegeln kann. Hier gilt der gleiche Ratschlag wie bei einer Kolik: Lieber einmal genauer hinschauen und um Hilfe bitten, als einmal zu wenig. Auch das gehört zur Achtsamkeit – Der Achtsamkeit gegenüber deinem Tun und deinen Beziehungen im Leben, was dann die 4. Säule ist.

Intimate close-up of a woman's face beside a horse, showcasing connection.

Aber wieder zurück zu der Achtsamkeit gegenüber deinen Gefühlen. Unsere Grundemotionen sind die folgenden

  • Angst
  • Wut
  • Trauer
  • Ekel, Abscheu
  • Freude
Übung 3: Dein Pferd – Dein Spiegel

Für diese Übung nimmst du wieder die Beobachter Position gegenüber deinem Pferd ein. Das Erste, was es herauszufinden gilt, sind die Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen und Emotionen deines Pferdes. Das ist wichtig, damit du unterscheiden kannst, wann dein Pferd mit sich beschäftigt bzw. es selbst ist und wann es dich 1:1 spiegelt. Beobachte dein Pferd dazu im Alltag, und zwar dann, wenn du nicht in die Aufgabe oder Aktivität eingebunden bist. Beispiele hierfür sind

  • Paddock/Weidegang im Herdenverbund,
  • ein Stallmitarbeiter oder eine Freund:in bringt dein Pferd zur Weide/auf den Paddock,
  • deine Reitbeteiligung oder Bereiter:in trainieren heute dein Pferd,
  • der Schmied hat einen Lehrling dabei der sich bereit erklärt dein Pferd vorzuführen,
  • wie sieht deine Stallgemeinschaft dein Pferd?
    • Höflich oder unachtsam
    • Wütend und eher angriffslustig
    • Verspielt oder bierernst
    • Etc.
  • wie geht dein Pferd standardmäßig im Alltagsgeschehen mit Situationen um
    • Trecker? Ein Thema das Flucht auslöst oder weiß dein Pferd, das das Eisentier Futter bringt?
    • Andere Pferde in der Reitbahn? Ein Thema oder ist es egal wer da ist und wer nicht
    • Laute und plötzlich auftretende Geräusche
    • Ein Pferd aus dem Herdenverband wird von der Weide geholt – Schiebt dein Pferd Panik oder ist es die Ruhe selbst?
    • Wenn im Gelände der Wind in die Büsche greift, wie geht dein Pferd damit um?

Ich bin mir sicher, du weißt bereits jede Menge über dein Pferd. Vielleicht entdeckst du aber so noch die ein oder andere kleine Nuance. Alles, was dir auffällt macht es später um ein Vielfaches leichter.

Wenn du dein Pferd in- und auswendig kennst, nimmst du die Beobachter Position ein, wenn ihr beide miteinander Zeit verbringt. Nimm dir nach der Zeit mit deinem Pferd einen Moment und fass schriftlich zusammen, was du beobachtet hast. Die Abweichungen vom Standardverhalten deines Pferdes ist das, was du suchst.


Beispiel 1 von mir kann vielleicht helfen zu zeigen, was wir suchen – Emotion Angst:

Meine erste Stute hatte Angst vor Treckern. Wenn wir im Gelände unterwegs waren, und uns kam einer entgegen ist sie immer gern mal hastig in den Fluchtmodus gegangen. Es waren immer nur ein paar Meter, aber so ganz abgewöhnen konnte ich es ihr nicht. Das hatte zur Folge, dass ich ihr Verhalten so verinnerlicht hatte, dass es wie meine Ohren zu mir und ihr gehörte. Meine zweite Stute hatte keine Angst vor Treckern oder anderen Motorengeräuschen. Sie bliebt ruhig und locker. Als wir uns dann besser kennengelernt hatten, hat sie jedoch Angst vor Treckern bekommen, weil ich ja innerlich darauf vorbereitet war, dass wir fliehen. Sobald ich das erkannt hatte und das dazugehörige Verhalten bewusst geändert habe, gab es keine Flucht mehr vor Treckern.

Beispiel 2 meinem Wallach und mir zeigt die Emotion Zorn:

 Starlight ist in Anlehnung an die Chinesische Heilmedizin ein Holzpferd. Holzpferde haben die vorherrschenden Emotionen Wut und Zorn. Starlight und ich haben schon viele „Läuse“ identifiziert, die ihm über die Leber laufen und seine eigene Wut und seinen eigenen Zorn hervorrufen (wenn du hierzu mehr erfahren magst, schau im Stallgeflüster nach). Starlight hatte angefangen Wut und Zorn zu zeigen, wenn wir Besuch von einem ganz bestimmten Menschen hatten. Unterbewusst hatte ich eine teuflische Wut auf diesen Menschen. Starlight hat meine Wut gespiegelt, indem er mit angelegten Ohren und extrem hochgezogenen Nüstern diesem Menschen entgegentrat. Von der Kleidung dieses Menschen, über seine Stimme, bis hin zu verschiedenen Tageszeiten habe ich alles ausprobiert, um herauszufinden, warum Starlight so extrem reagiert und es auch bei jedem Besuch schlimmer wurde. Erst als ich mit den Achtsamkeitsübungen angefangen habe, habe ich entdeckt, dass es meine Emotion ist, die Starlight da so dramatisch vorgeführt hat. Durch das Erkennen und ins Bewusstsein holen konnte ich die Wut auflösen.


Es ist so unglaublich spannend, was alles zu Tage kommt, wenn wir uns die Zeit nehmen bewusst zu hinterfragen. Und nicht nur das, es ist so gar extrem erleichternd, wenn dann Situationen die viel Energie und Kraft gekostet haben aufgelöst werden können. Die Wut, die Starlight mir gespiegelt hat, war ein komplexes Gebilde und nachdem es auf die Bühne durfte und es die Aufmerksamkeit hatte die es brauchte, war es wie unglaublich befreiendes Gefühl.

Ich wünsche dir ganz viel Erfolg und Spaß beim Theaterstück mit deinen Emotionen. Wenn du dich austauschen möchtest oder Rat brauchst, nimm gern Kontakt zu mir auf.

Im vierten Teil nehmen wir dann das Handeln genauer unter die Lupe.

Always faithful, Sybille