Teil 2: Dein Pferd – dein Trainer
Wenn wir lernen unsere Pferde als echte Partner und Lehrer in unserem Leben zu sehen, können wir unendlich viel von ihnen über das Leben lernen. So wie wir die Zeit des Putzens nutzen können, um die Achtsamkeit gegenüber unserem Körper zu lernen https://www.sunstar-self-healing.de/dein-weg-zur-achtsamkeit-the-way-back-to-yourself-lead-by-horses/, so sind unsere Pferde auch Trainer, wenn es darum geht die Achtsamkeit gegenüber unseren eigenen Gedanken zu trainieren.
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Die 4 Säulen der Achtsamkeit – Säule 2: Deine Gedanken
Bei der Achtsamkeit gegenüber deinen Gedanken geht es darum, dass du deine Gedanken aus der 10.000 Meter Perspektive beobachtest. Zwischen jedem deiner Gedanken und dir selbst soll also ein großer Abstand entstehen. Das hilft dir bewusst wahrzunehmen, wie selbstständig sich deine Gedanken machen und vor allem wie schnell sie das tun.
Dieser Schritt ist auch wichtig, um dann im nächsten Schritt die Verknüpfung von deinen Gedanken zu deinen Emotionen zu machen. Ein kleines Beispiel: Du denkst an einen wundervollen Galopp mit deinem Pferd an einem leeren Sandstrand und die Sonne strahlt aus allen Knopflöchern. Freude pur wird dann vermutlich dein Gefühl sein.
Aber fürs erste wieder einen Schritt zurück und Fokus auf deine Gedanken. Wenn du der Meister über deine Gedanken bist, wirst du merken, dass du mit viel mehr Gelassenheit durch dein Leben gehst. Nicht nur beim Reiten oder in Anwesenheit von Pferd, wo wir Gelassenheit ja gezielt erreichen wollen, sondern auch in allen anderen Bereichen deines Lebens.
„Na? Ein bisschen knurrig, weil Papi Ihnen kein Pony geschenkt hat?“ Simon Baker in „The Mentalist“ (USA 2008)
Es gibt die verschiedensten Übungen, um mit der Beobachtung der eigenen Gedanken zu starten. Eine hast du bereits im 1. Teil kennen gelernt, das Atmen. Deine Gedanken waren auch ganz bei dir während der Putzübung, denn da hast du sie gezielt auf die Reise geschickt, um in Worte fassen zu können, was du mit deinen 5 Sinnen wahrnimmst. Darauf wollen wir jetzt aufbauen
Übung 1 – lass deine Gedanken frei fliegen wie Wolken am Himmel
Wie bei den Übungen in Teil 1 habe ich für das Lernen des Beobachtens meiner Gedanken meinen Stuhl wieder an den Paddock gestellt, so dass ich meine Pferde sehen konnte. Das hatte den Vorteil, dass ich mir ein Bild vorstellen konnte, in dem ich bei meinen Pferden als Beobachterin stehe und mich am Paddock Rand sitzen sehe.
Was sich hier so leicht anhört ist ggf. schwerer als gedacht. Jeder ist individuell und es gilt auszuprobieren, was für dich am besten funktioniert. Wichtig dabei ist, dass du dir keinen Druck machst. Sieh es als Spiel an, in dem du die Regeln bestimmst und diese auch jederzeit ohne Rechtfertigung ändern kannst. Lass dir Zeit und das, was zu dir passt kommt von ganz allein.
Bei mir kam zu einem späteren Zeitpunkt z.B. das Bild eines Kinderkarussells, das mein Gedankenkarussell verdeutlicht hat. Mein Karussell war natürlich eins mit Pferden. Dieses Karussell habe ich dann gelernt zu steuern, um mir so einen Gedanken nach dem anderen hervorzuholen, in dem ich einfach erst den Schimmel angehalten habe, dann den Rappen, dann den Schecken, usw. So konnte ich dann beobachten wie sie aufeinander aufbauen oder in Verbindung zueinanderstehen. Ein Gedankenkarussell ist etwas, das unsere Gedanken im Kreis drehen lässt, immer und immer wieder und immer wieder um dasselbe Kernthema. Und genau da soll uns der Weg der Achtsamkeit langfristig drauf aufmerksam machen.
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Wenn du durch die Atemübung entspannt bist und deine Gedanken mit Leichtigkeit bei deiner Atmung bleiben, gib ihnen jetzt etwas Raum damit sie „fliegen“ können. Du bleibst entspannt sitzen mit geschlossenen Augen und nimmst wertfrei einfach jeden Gedanken auf, der da so kommt. Lass den Gedanken einfach auftauchen wie eine Wolke am Himmel. Schau den Gedanken an und wie er sich verwandelt um eine neue Gedanken-Wolke zu werden – ohne Wertung, ohne Druck, ohne Grenzen, einfach frei….
Für diese Übung solltest du ca. 7 bis 10 Minuten Zeit einplanen. Du wirst merken, wenn du das regelmäßig machst, wird es ganz leicht und du merkst ggf. bereits bei kleinen, unspektakulären Arbeiten wie abäppeln oder misten, dass du deine Gedanken aus der Ferne beobachten kannst.
Übung 2 – Wo kommt dein Gedanke her und wo geht er hin?
Wenn dir die erste Übung leichtfällt und du dich puddelwohl fühlst im wertfreien Beobachten, dann nimm die nächste Aufgabe hinzu. Hier geht es darum zu beobachten, wo der Gedanke herkommt und wo er hin geht.
Starte wieder mit der Atemübung und lass deinen Gedanken wieder Flügel wachsen. Sobald der erste Gedanke kommt, schau ihn wieder an und frag dich wo kommt er her und wo geht er hin? Wenn du draußen sitzt, hörst du vielleicht einen Vogel und der Gedanke an den Vogel fliegt zur Einkaufsliste, weil du Vogelfutter besorgen willst. Vielleicht steigt dir der Geruch von Sattelseife in die Nase und deine Gedanken fliegen erst zum Sattel, dann zur Trense und dann zur To-Do-Liste, auf die du „Sattelpflege“ schreiben magst. Geh auch diese Übung wieder ganz entspannt an und ohne Druck und du wirst sicherlich ein paar erstaunliche Entdeckungen machen. Die Zeit, die du dir für diese Übung nehmen solltest, beträgt auch ca. 7 bis 10 Minuten.
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Übung 3 – Wie können deine Gedanken dich und dein Pferd achtsam steuern
„Geheimnisvolle Worte drangen sanft ein in die geschundenen Herzen“ „Der Pferdeflüsterer“ Film (USA 1998)
Eine wirklich tolle Übung, die dir nicht nur bewusst macht wie Gedanken und Körper zusammenspielen, sondern auch wie kraftvoll sie sind und wie sie das „Außen“ mitnehmen können, habe ich bei der Ausbildung von Starlight entdeckt.
Ich liebe Bodenarbeit. Nicht nur für die Jungpferde Ausbildung, sondern als festen Bestandteil des Trainings meiner Pferde. Für die Achtsamkeitsübung verwenden wir die Basics des Führtrainings. Nehmt am Anfang bitte einen überschaubaren Trainingsraum. Z.B. einen Longierzirkel, Halle halb abgeteilt, kleines Viereck aus Zaunmaterial aufgebaut, o.ä.
Beginnen tuen wir wie beim herkömmlichen Führtraining. Ruhiges, gleichmäßiges Tempo im Schritt, Tendenz im Vorwärts und dann durchparieren zum Halten. Kurz, aber ruhig und entspannt halten und dann wieder im Schritt losgehen. Ihr könnt ein paar Mal die Hand wechseln, eine kleinere Wendung gehen, von der Bande / der Begrenzung ein Stück weg gehen, etc. Stimmt euch beide aufs Führen ein und du versuchst mit deiner Konzentration vollkommen bei deinem Pferd, dem Tempo und der Aufgabe zu bleiben.
Wenn ihr beide ein paar Runden gelaufen seid und ihr euch von der Konzentration aufeinander eingestellt habt, hältst du dein Pferd an, um dich und dein Pferd auf die Achtsamkeitsübung vorzubereiten:
- Du stehst auf Schulterhöhe neben deinem Pferd. Ich empfehle linke Hand anzufangen, da das die vertrautere Seite ist
- Du legst die Hand, die auf der Pferdeseite ist, auf den Wiederrist und hältst den Strick in der anderen Hand, so dass er nicht durchhängt. Wenn ihr gut geübt seid, könnt ihr das später auch mit der Trense als Handarbeit.
- Schließ die Augen und konzentriere dich auf deine Atmung wie in der Atemübung, 4 bis 8 tiefe Atemzüge reichen in der Regel aus
- Lass ein Bild vor deinem inneren Auge entstehen von dir und deinem Pferd und der Umgebung, in der ihr euch befindet (Trainingsplatz). Dieses Bild ist ggf. nicht in Farbe. Ich sehe mein Pferd und mich z.B. in einer Art schwarz-weiß-Strichzeichnung. Dieser Teil ist wieder sehr individuell, also mach dir keinen Druck, denn das, was du siehst, ist das richtige für dich und dein Pferd
- Wenn du das Bild gut vor deinem inneren Auge hast, halte deine Gedanken bei dem Bild und setze in Gedanken einen Fuß nach vorne, so als wenn du los gehen willst. Du wirst feststellen, dass dein Körper gleichzeitig mit deinem Pferd zusammen einen Schritt nach vorne macht
- Sei hier sehr, sehr geduldig mit euch. Meine Stute und ich haben z.B. 4 Wochen bis zum ersten sicheren Schritt gebraucht und mein Wallach und ich haben nur 3 Minuten gebraucht. Das ist so verschieden und wie bei allen anderen Übungen geht es hier wieder um das wertfreie Wahrnehmen. Hab einfach Spaß wie ein kleines Kind
- Habt ihr den ersten Schritt gemacht, lass in Gedanken das Bild in deinem Kopf anhalten. Sobald ihr steht lobst du dich und dein Pferd ganz doll
- So machst du nun weiter, ein Schritt nach dem anderen, bis ihr euren Trainingsplatz einmal umrundet habt. Ein kurzes Blinzeln, wie beim Schummeln früher beim Verstecken spielen, wenn man der Zähler war, hilft, dass ihr nicht irgendwo aneckt bzw. gerade vor eine Begrenzung lauft
- Je sicherer ihr werdet so mehr könnt ihr machen. Du kannst kleine Bahnfiguren einbauen, wie durch die Bahn wechseln, eine kleine Volte, auf die Mittellinie abwenden, vom Rand weg gehen, etc.
Du wirst feststellen, dass deine Gedanken und dein Körper plötzlich wie „eins“ sind und wenn du das bewusst wahrgenommen hast, wirst du beim nächsten Training feststellen, das nicht nur deine Gedanken und dein Körper „eins“ sind, sondern auch die Gedanken und der Körper deines Pferdes „eins“ mit dir sind. Das ist ein großartiges Gefühl.
Ich wünsche dir ganz viel Spaß, Kreativität und wahnsinnig tolle Momente beim Ausprobieren. Eine Bitte noch zum Abschluss. Für diese Übungen gilt, wie bei allen anderen Trainingseinheiten mit deinem Pferd auch: Überfordert euch nicht. Mach kleine Einheiten, heißt nicht mehr als 5 – 8 Minuten, denn es ist mental wirklich sehr anstrengend.
Bei der dritten Säule der Aufmerksamkeit nehmen wir dann deine Emotionen mit hinzu.
Always faithful, Sybille